Into the blue wide open - On ne meurt pas d'un overdose de rêves

Der Traum vom großen Blau

Come and join me to visit some of the most beautiful places in France. Maybe you will find some new places to visit and enjoy. Viel Spaß beim Besuch einigen der schönsten Orte in Frankreich auf dieser Seite..

Gäbe es „Germanys next Top Nomadin“, dann hätte ich vermutlich eine gute Chance auf einen der ersten Plätze, obwohl ich bis 2001 ein völliger Reisemuffel war. 2001 fuhr ich mit einem uralten Passat und meiner 14jährigen Tochter, aber ohne Navi oder Handy, nur mit einer Frankreichkarte bewaffnet Richtung Côte d’Azur. Kein anderes Land hat mich je so faszinieren können, dabei hatte es fünfzehn Jahre gedauert, bis ich der Sehnsucht nach dem Lavendelfeld folgte, das seit eh und je als Foto an der Wand neben meinem Bett hing. Meine Sprachkenntnisse aus der Schule waren längst verjährt und meine Tochter musste die Kommunikation übernehmen. Wir blieben am zweiten Reisetag irgendwo in den Bergen an der Drôme hängen. Nach acht Stunden über die Serpentinen der Departementalstraßen zwischen Lyon und Sisteron wollte ich keinen Meter mehr fahren, stoppte in Sederon, einem kleinen Bergdorf in der Drôme provençale und suchte ein Quartier für die Nacht. Ein französisches Ehepaar, das gerade seinen Abendspaziergang durchs Dorf machte, lud uns zu sich nach Hause ein, da es in Sederon keine anderen Übernachtungsmöglichkeiten gab. Claudine sagte mir später, sie hatte einfach Mitleid mit mir gehabt, weil ich so erschöpft aussah. Wir durften in ihrem provenzalisch eingerichteten Gästezimmer mit eigenem Bad übernachten und sogar mit ihnen zusammen Abendbrot essen. Welch ein Vertrauen sie uns entgegenbrachten, denn ich sah nach der langen Reise völlig abgerissen aus und das Auto hatte sich inzwischen in eine Müllhalde verwandelt. Seitdem sind wir mit Claudine und Alain befreundet und wir sehen uns fast jedes Jahr.

Eine kleine Reiserevolution brachte der TGV mit sich. Ich arbeitete 2014 in der Altenpflege und die Tochter einer Bewohnerin erzählte mir, dass sie oft für 40 Euro mit dem TGV von Brüssel nach Avignon reist. Das war weniger als die Mautgebühr für diese Strecke! Ich reiste im Oktober 2014 mit dem TGV nach Avignon und fand ein Apartment in der Rue des Teinturiers, einer der schönsten Straßen in der historischen Altstadt Avignons. Im Parterre des Hauses waren noch die Räder zu sehen, die für den Antrieb der Färbereien dienten, die bis in die frühen 1960er Jahre in Avignon arbeiteten.

Ohne Auto in Frankreich zu sein, war eine neue und tolle Erfahrung, denn ich traf in öffentlichen Verkehrsmitteln oder beim Stadtbummel viele Einheimische, die mir von sich und der Stadt erzählten. Eine nette Frau, die in Avignon auf der Place Pie neben mir auf einer Bank saß, begleitete mich zu der Stelle, an der die kostenlosen Navettes in der Nähe des Pont Bénezet über den Rhônearm auf die Ile de la Barthelasse hin- und herpendeln.

Diese erste Bahnreise war so intensiv, dass ich im Folgejahr gleich mehrmals mit der Bahn nach Frankreich fuhr, zur Mimosenblüte im Frühling nach Théoule-sur-mer, nach Cannes,  Aix en Provence, Sanary-sur-mer, La Ciotat, Marseille. In Aix darf man mit dem Bus für nur einen Euro bis an die Endhaltestelle jeder Linie fahren und so erkundete ich die ganze Umgebung mit dem Bus, auch zu Fuß und per Anhalter. Ich sollte dort für einen deutschen Freund einen Biowinzer besuchen, dessen Weingut abgelegen auf dem Land lag. Der Busfahrer sagte mir, er kenne es nicht, ich solle einfach einsteigen und es würde sich etwas ergeben. Kurz darauf kam im Bus eine nette Dame auf mich zu und erklärte, sie würde mir den Weg zeigen. Sie wohnte in der Nähe des Weinguts, lud mich zuerst zu einem Getränk zu sich nach Hause ein und machte sich dann mit mir auf den Weg durch die Felder zum Winzer, der mich später in seinem Auto zurück in die Stadt brachte. Offenheit und Kommunikationslust sind alles. Die Sprache ist im Laufe der Jahre beim Reisen in mich reindiffundiert und seitdem glaube ich, dass man alles leicht lernen kann, wenn es mit Glück verbunden ist.

Die Buslinien fahren natürlich nicht zu jedem abgelegenen Ziel und so waren meine Freundin und ich  oft auf Mitfahrgelegenheiten angewiesen, wenn wir eine der vielen romanischen Kapellen irgendwo in den Hügeln besichtigen wollten. Einmal hielt ein junger Mann an, der auf dem Rücksitz seines Wagens ein Gewehr posiert hatte. Wir nahmen den Lift trotzdem und der Fahrer war nett und witzig. Ein anderes Mal nahm uns ein Mann mit Hund mit in die Berge zu einer alten Kapelle. Als er erfuhr, dass wir Deutsche waren, sprach er kein Wort mehr. An der Kapelle angekommen fanden wir einen Friedhof mit Gräbern von Resistancekämpfern, die1944 von der Wehrmacht ermordet worden waren. Man darf als Reisende nicht vergessen, dass dieser Teil der Geschichte in der Erinnerung der Franzosen noch sehr präsent ist. Wir standen verlassen am späten Oktobernachmittag an diesem unheimlichen Ort mitten in den Bergen. Gerettet wurden wir von zwei resoluten Damen, die mit ihren Nordic Walkingstöcken auf den glitschigen Waldböden deutlich im Vorteil waren und uns zügigen Schrittes in Richtung eines Dorfes leiteten. Plötzlich hielten sie auf einer Nebenstraße das einzige passierende Fahrzeug an, dessen Fahrerin sie baten, uns zu einer Bushaltestelle zu bringen. So kamen wir noch vor Einbruch der Dunkelheit in Aix in unserer Wohnung an, um ein Abenteuer reicher.

 

Später war ich nicht mehr zu halten und reiste durch das ganze riesige schöne Land. Oft nach Sault ins Herz des Lavendels, in die Ardèche und die Dordogne mit ihren eiszeitlichen Bilderhöhlen, den Anfängen unserer Kultur. Entlang der Jakobswege durch die vielen Gebirgslandschaften, die Frankreich in seinem Inneren bietet.

 

Das schönste Gîte, das ich jemals gefunden habe, ich das Natursteinhäuschen von Anne Leper in Valojoulx bei Montignac bei der berühmten Höhle von Lascaux.

Inmitten eines Rosengartens wartet eine preiswerte und Märchenhafte Idylle auf Gäste. https://www.dordogne-perigord-tourisme.fr/sejourner/location-vacances/detail/?ido=valojoulx--HLOAQU024FS00329

Ich reise inzwischen nur noch mit der Bahn nach Frankreich, wobei der Ouigo mich für 16 Euro in knapp 5 Stunden von Lille nach Marseille bringt, welch ein Megaluxus! Man lädt sich die App aufs Handy und findet die tollsten Ziele zum Preis eines Abendessens. Mit dem Ouigo und Airbnb explodierten meine Reisen nach Marseille. Die Verbrecherstadt, wie ein Freund sie scherzhaft nannte, hat mit ihrer kulturellen Vielfalt und der etwa 20 km langen Küste zwischen L’Estaque und Les Goudes mein Herz völlig erobert. Ich bin süchtig nach der quirligen Stadt und der flirrenden Hitze, die sie im Sommer in einen Backofen verwandelt und sogar nach dem Mistral, dem ständigen Begleiter der Provence.

 

Wer sich in Marseille eine „Carte Transpass“ in einer der großen Metrostationen kauft, kann damit für unter 20 Euro eine Woche lang alle Busse, die Tram, die Metro und im Sommer auch die kleinen Boote (lanavette) nach L’Estaque oder Pointe Rouge /Les Goudes benutzen.

 

Jetzt aktuell bei www.rtm.fr Infos nach dem déconfinement auf https://www.rtm.fr/infos-trafic/7128

Ich habe in den letzten fünf Jahren die ganze Küste von Menton über Marseille bis Cerbère südlich von Perpignan an der spanischen Grenze mit Bahn und Bus bereist und kann nicht genug bekommen. Es sind nicht nur das Meer, die Sprache oder die Schönheit des Landes, sondern vor allem die außergewöhnlichen Begegnungen, die man mit etwas Abenteuerlust und Offenheit macht.

Manchmal schien ich festzuhängen, 2015 während des Benzinstreiks in der Dordogne, 2016 im Krankenhaus in Brignoles,  im Dezember 2018 beim den ersten heftigen Demos der Gilets Jaunes in Marseille, im Dezember 2019 während des Bahnstreiks in Perpignan, als die SNCF mein Rückfahrticket nach Aachen annullierte. Nach dem ersten Luftanhalten folgte immer ein Ausweg und wenn man das Land liebt, dann auch in seinen schwierigen Zeiten. Bonne route!

P.S. Wer auch von zuhause aus ein bisschen Reiseflair schnüffeln möchte, kann im Netz unter „France 3 côte d’Azur replay 19/20“ die täglichen Lokalnachrichten sehen, genauso wie andere Frz. Sender, die nicht live, aber im Replay verfügbar sind.

 

Diesen Text habe ich im August 2020 zuerst auf Hilke Maunders Blog "Mein Frankreich" veröffentlicht.

Katharina Kehmer